Mittwoch, 16. November 2016

Schule und Schulfrei ... ein Tag... zwei Erfahrungen

Es ist jetzt schon wieder ein paar Wochen her, dass ich live ein Kind wegen Schule wirklich leiden habe sehen.
Heute waren Nami bei ihrer Freundin. Ich sagte den beiden, sie sollen aber nach einer halben Stunde wieder kommen. Sie kamen aber nicht ... über Stunden... irgendwann ging ich dann zu ihnen hinüber.
Und siehe da, sie waren mit Deutsch-Hausaufgaben beschäftigt.
Meine Tochter hatte am Computer ihren Aufsatz geschrieben und er war so, wie sie die Aufgabe verstanden hatte. Sie hatte eine Geschichte geschrieben, am PC, mit Spannungsbogen.

Und dann hat ihre Freundin auch eine Geschichte geschrieben. Auch mit Spannungsbogen, aber er erfüllte die Anforderungen der Hausaufgabe nicht. Und dann musste sie diese Geschichte wieder und wieder schreiben. Nach dem 3.ten Mal fing sie an zu weinen und sich wirklich am Boden in Embryonalstellung zu legen. Und zusammen ziehen und wieder auseinander.

Und dann ging sie in ihr Zimmer und schrieb die Geschichte noch einmal. Aber wieder genügte es nicht den Anforderungen der Mutter. Die Mutter hatte aber selbst nicht verstanden worum es ging - die war ja auch nur in der Schule gewesen und dachte es muss einfach so erfüllt werden, wie es da steht. Nicht, dass es darum ging einen Spannungsbogen zu bauen und dass es überhaupt darum geht, dem Kind nicht die Freude komplett am Schreiben zu verderben.

Aber unerbittlich wollte sie, dass es so erfüllt wird, wie es eben dort gefordert wird. Es gibt diesen berühmten Spruch: Wo Bücher brennen, da brennen auch bald Menschen. Ich denke der gilt nicht für Schulbücher. Ich möchte das Feuer sehen, dass dieses Leid verzehrt, dass sie mit sich bringen. Oder ist es die Schule selbst? Irgendetwas fordert diesen blinden und unverständigen und mitleidslosen Wettlauf um die Plätze in der Gesellschaft, die nur mit Gehorsam zu verdienen sind und die immer weniger werden.

Wenn ich Menschen die Schule loslassen sehe, dann sehe ich auch oft, dass sie wieder plötzlich anfangen ihre Kinder zu sehen. Die Menschlichkeit scheint zurück zu kommen. Nein, sie war immer da. Aber unter der Panik seine Pflicht nicht zu erfüllen ist sie nur verschüttet gegangen. Wie kann man sich diesem System entziehen? Wie kann man gut bleiben... im Schlechten? Ich glaube es geht nicht. Die Schule korrumpiert. Und das ist schon das Ende der Geschichte. Es gibt kein Wenn und kein Aber... keine freie Schule und keine Ausnahme die dem Kind gut tut. Es ist ein Spiel, das nach bestimmten Regeln funktioniert. So wie Risiko. Du kannst den anderen direkt besiegen, Du kannst andere gegeneinander aufhetzen, aber am Ende kannst Du nicht einfach Deine Armee in den Ozean verlegen und Utopia eröffnen und Dich zum Pazifismus erklären. Allein dadurch, dass alle anderen spielen wirst Du gezwungen auch zu spielen. Alles andere ist Illusion.

Die Mutter bat uns nach weiteren zwei Iterationsrunden zu gehen, denn jetzt wurde es ernst. Ich konnte es gar nicht glauben. Ich hatte einfach kein Kind ... und keine Mutter / Vater mehr seit langen in solchen Qualen gesehen und der Ernst sollte jetzt erst beginnen. Also es geht hier nicht um körperliche Gewalt... das ist klar... ich kenne die Familie... aber es geht um die Erzwingung des Gehorsams und des Willensbrechens, damit man später funktioniert. Deswegen mag ich aber auch so gerne russische Familie, die sabbeln nicht von Konsequenzen wenn sie Strafe meinen und schwadronieren nicht von Motivieren wenn sie Unterordnen meinen. Sie nennen es noch so wie es ist.

Wir gingen dann... sehr bedrückt. Meine Tochter meinte, das wäre immer so mit den Hausaufgaben und das ist es was die Schule macht. Ich fragte sie, was sie denn meinte mit: Das macht die Schule. --- "Sie tötet die Fantasie" - ja und genau darum ging es. Der Text musste so geschrieben werden, wie es gefordert war. Der Rahmen war weit genug, dass man sagen konnte: Hier ist Fantasie gefragt. Aber er war so eng, dass die Fantasie schon alles vorgesetzt bekam, was sie brauchte um das Bild und die Geschichte fertig zu haben. Pure Suggestion. Ein langsames Unterwandern von allem, was einen menschlich macht. Unmerkbar. Wie ein Tarnkappenbomber - perfekt geformt über die Zeit.

Am Abend las ich dann Chopper noch aus einem Wissenschaftsbuch vor - während er für die Familie kochte. Es stellte sehr plastisch dar, wie das Experiment die Theorie ablöste. Wie über Generationen falsch geglaubtes Wissen zum Dogma werden kann und wie dieses Dogma durch einfache Experimente zum Wackeln gebracht werden konnte. Und wir unterhielten uns viel darüber.

Beim Essen hatten wir dann ein noch spannenderes Gespräch. Auf die Frage, wie mein erster Computer aussah, habe ich erzählt, dass es damals eigentlich nur eine Tastatur war. Mit den Fähigkeiten eines programmierbaren Taschenrechners. Dass es kein Internet gab, was alle wussten, aber auch keine CDs, USB-Sticks, Memory-Cards, sogar Floppys waren zu teuer für mich und man hatte Hörkassetten auf die man Programme spielte und die piepsten wenn man sie in ein normale Stereoanlage steckte. Aber nicht mal so etwas hatte ich und so musste ich alles, was ich spielen wollte selber programmieren. Und das musste ich auch erst mal lernen.
Aber auf diesen Computern wurde der Mondflug berechnet und die Amis knackten darauf die Codes der Deutschen (typisch Amis, immer am Krieg führen).
Und dann kamen wir auf Alan Turing, der diese Codes knackte. Und dann kamen wir zur Turing Maschine, mit der Turing bewies, dass jedes mathematische Problem an einem unendlichen Band mit 0llern und 1sern ausgerechnet wurde. Einfach in dem man hin und her läuft und diese 0er zu 1sern setzt und die 1ser auf 0 löscht.
Und nun erklärte ich den Kindern, wie sie eine Subtraktion (Minus) durch eine Addition programmieren können. Nami fragte dann, wieso das Band addieren konnte. Das Band kann aber erst mal nichts - das müssten sie schon selbst programmieren. Und Nami und Chopper suchten dann einen Weg wie sie selbst eine Addition programmieren könnten - und fanden diesen Weg recht einfach (was mich natürlich sehr gefreut und unglaublich stolz auf ihre Bildung gemacht hat).

Dann haben wir nach dem Essen noch eine Dokumentation - mal wieder über die Geschichte des Lebens - angesehen. Auch hier hat sich einiges bei den Kindern getan. Früher haben sie nach 20 Minuten immer pünktlich aufgehört, aber mittlerweile lieben sie es schon selber und verstehen unglaublich viel. Sie wollen dann immer länger kucken - aber Sanji (jetzt noch 7 Jahre alt) will dann spätestens nach 30 Minuten aufhören.
Wenn sie eine Doku durch haben, dann suchen sie schon selbständig die nächste aus und es gibt ein kurzes Brainstorming was als nächstes kommen soll und schon geht es weiter. Es ist eine Freude da zuzusehen.

Nami (wir erinnern uns, mein Mädchen, das noch vor 2 Jahren mit Dyslexie kämpfte) liest mittlerweile Bücher weit über ihrem Alter. Als letztes hat sie den Jugendroman: Die schwarzen Brüder (von Lisa Tetzner) gelesen. Und nun liest sie "Wer die Nachtigall stört" ein unglaublich tiefgehender Roman über wahren Mut. Und dass Menschen manchmal auch dann kämpfen müssen, wenn sie schon lange vor Beginn des Kampfes verloren haben. Und das liebe Menschen aus allen verschiedenen Gründen grausame Sachen tun müssen (so wie tollwütige Hunde erschießen). Über Aufrichtigkeit und die Fähigkeit auch schlimmste Beleidigungen zu verstehen und auszuhalten. Und interessanterweise spielt er genau zwischen zwei Generationen, von denen die Eltern noch ohne Schule groß wurden und die Kinder dauernd in die Schule müssen.
Ich lese dann auch immer vor - und sie kann gar nicht genug kriegen von den Geschichten. Das sind diese langen Abende, die unverantwortlich spät enden. Die aber ein einziges gemütliches und kuscheliges Zusammenwachsen und miteinander Wachsen sind.

Und dann sehe ich wieder ihre beste Freundin. Sie ist wirklich das fröhlichste Mädchen, das ich kenne, aber sie hat diese absolute Ablehnung gegen alles was Lesen ist. Gegen jedes Buch. Und anstatt, dass sie einfach mal spielen darf wird sie durch das System gepresst. Ich bin jeden Tag dankbar, dass mich vor 10 Jahren die Neubronners durch eine schräge Wendung des Schicksals angerufen haben und sie einfach ohne Schule lebten. Ohne sie hätte ich es von selbst nie geschafft an diesem Dogma zu rütteln
.
Deswegen: Nützt jede Chance aufzuklären. Auch wenn Ihr Euch lächerlich macht, oder Spott kassiert, oder Unverständnis oder das in unserer Gesellschaft so stark gefürchtete Naserümpfen. Manchmal treffen Eure Worte und Euer Vorleben auf einen Menschen, der nur darauf gewartet hat. Der innerlich seine Kopf an diesem goldenen Schulpflicht-Kalb kaputt geschlagen hat. Für ihn werden sich die innerlichen Fesseln lösen und seine Kinder werden nicht leiden müssen. Und damit auch eine Chance auf Bildung haben. Es ist wie ein Samen, den man über die Welt streut. Auf Beton wird er nicht aufgehen. Aber er wird auch manchmal auf Gras fallen und manchmal sogar aufgehen.

Freitag, 24. Juni 2016

Gespräche bei einer Schulveranstaltung hier in der Nähe

Diese Woche war ich auf zwei Veranstaltungen - solche Veranstaltungen sind immer eine super Gelegenheit zwanglos Politiker und Schularbeiter kennen zu lernen.

Die gestern war bei der Schule bei uns in der Nähe und sie hieß: "Geht alle in die Ganztagsschule - eine Werbeveranstaltung für ein alternativloses Angebot" (der offizielle Titel war glaub ich ein bisschen anders).

Nach dem Vortrag durften wir Fragen stellen, obwohl ich eigentlich nie bei einer großen Fragerunde mitmache, konnte ich mich dieses Mal nicht zurückhalten: "So wie es mir scheint ist das Angebot am Nachmittag um einiges Höherwertiger als das am Vormittag - das ist doch unfair gegenüber den Halbtagskindern. Ich würde meine Kinder - wenn ich die Wahl hätte - nur in das Nachmittagsangebot schicken. Oder wie empfinden das die anderen hier im Publikum?"
Ich finde es immer spannend, wie Schulen in Zwangs-Ganztagsschulen umgebaut werden. Erst mal ist es "wahlweise" und dann gibt es am Nachmittag Kooperationen, individuelle Betreuung, Hausaufgabenhilfe, Dutzen mit Lehrern etc.
In dieser Veranstaltung war noch ein Schmankerl, der Vormittag wurde um eine Stunde gekürzt, so dass man wirklich (wenn man Schule gut findet) einen echten Nachteil hat und Stoff verpasst. Wenn dann genügend gemerkt haben, dass Halbtags ein echter Nachteil ist und sie "bekehrt" sind, dann wird die Schule zur Ganztagsschule. Weil die 3 Hansel die noch am Halbtag festhalten sollen halt einfach woanders hingehen.

So, aber darum geht es eigentlich gar nicht. Ich habe nach der Veranstaltung mit Fr. XX vom SSA (Städtische Schulamt Karlsruhe http://www.schulamt-karlsruhe.de/,Lde/Startseite/Ueber+uns ) gesprochen und sie mit der Situation vertraut gemacht, wie viele Homeschooler es schon gibt, ihr die Postkarte übergeben und ihr gesagt, dass wir die Schulpflicht als "Verkürzung der Lebenschancen sehen". Erst wollte sie mich damit abspeisen, dass es eine sogenannte Schulpflicht gibt, aber ich meinte, dass wir schulfrei Bildung für richtig erkannt haben und dass es einfach bessere Bildungsmöglichkeiten biete. Dann habe ich ihr vorgerechnet wie viel mehr soziale Kontakte und Zeit für die Welt ein Kind ohne Schule hat. Sie meinte dann: "Dass es schon ein paar Eltern gegeben hätte, die nach Homeschooling gefragt hätten." Ich sagte zu ihr dann, dass Homeschooling nicht verboten sei, es müsste nur als Schule genehmigt werden.

Leider ist sie nur Pädagogin kann da also nicht weiterhelfen. Dafür müsste ich mich an das Regierunspräsidium in Karlsruhe wenden. Das ist auch meine Meinung. Es ist praktisch sinnlos mit einer Ebene darunter zu verhandeln - die müssen sich alle an die Gesetze halten. Es ist ein Rechtsstaat, wenn man von irgendjemanden unter dem Regierungspräsidium ein Absolvo von der Schulpflicht erwartet, dann erwartet man von ihm gegen das Gesetz zu handeln.

Danach habe ich noch mit der Direktorin und stellvertretenden Direktorin gesprochen um sie zu fragen, ob eines meiner Kinder mal als Gastkind in der Schule sein darf. Sie fragten nach der Klasse und ich meinte, dass sie nicht schulpflichtig ist und noch nie in einer Schule war, aber 10 Jahre alt sei. Natürlich kamen dann eine Menge Fragen und ich meinte, dass es im Ausland keine Schulpflicht gibt und sie sich da viel aufhält - aber sie gerne eine Woche hier wäre, weil ihre beste Freundin auch hier ist.
Das löste natürlich noch mehr Fragen aus, denn die beiden Direktorinnen dachten natürlich, dass auf der ganzen Welt Schulpflicht tyrannisiert. Ich klärte sie auch dahingehend auf, dass nur Schweden und Deutschland so etwas gut finden. In vielen Ländern ist es sogar ein Grundrecht.
Dann kamen Fragen wie sie lernt und ob ich sie unterrichte und auch dahingehend erklärte ich: eine Stunde am Tag und das Internet ist mittlerweile ein wirklich sehr guter Lehrer.

Sie waren wirklich überrascht, dass nur Deutschland und Schweden Opfer der Schulpflicht sind und wir besprachen dann, dass es vielleicht die Möglichkeit gäbe sie als Gastkind für eine Woche zuzulassen, aber das größte Problem seien wohl die versicherungstechnischen Details. Wir haben uns dann noch etwas über das Ganze schulfreie Lernen unterhalten und haben uns prima verstanden. Ich denke es ist sehr wichtig zu verstehen, dass man von den Menschen auf den unteren Ebenen keine rechtswidrige Handlung erwarten darf. Man muss irgendein Konstrukt bieten, das legal ist.


Wie behält man das Sorgerecht in einem Prozeß

Es geht um einen Gerichtsprozess mit Sorgerecht und vielleicht hilft es ja dem ein oder anderen, den auch ein Gerichtsprozess erwartet.

Die Kindsmutter hat vor ca. 1,5 Jahren einen Sorgerechtsstreit gegen mich angefangen. Sie wollte das paritätische Modell, sondern das normale alle 2 Wochen 2 Tage und Kinder ab in die Schule.

Ich habe 3 Tage vor der letzten Verhandlung meine Verteidigung komplett geschrieben. Sie ging in keinem einzigen Punkt um die Fehler, die die Mutter macht; ich habe nicht einmal die Anklageschrift gelesen um nicht in einen Ton zu verfallen, der zu sehr auf Verteidigung gebaut ist - sondern ich beschrieb einfach, was ich für die Kinder mache, wie die Kinder integriert sind, wie ich ihre hygienische und gesundheitliche Fürsorge wahrnehme und wie sie lernen.

Da meine Ex ja in Frankreich lebt war der Prozess vor einem franz. Gericht. Also bekam ich die Antwort, dass sie kein Deutsch können und ich die Verteidigung noch einmal schreiben müsse. Ich übersetzte sie ins Englische. Dann kam die Antwort, dass sie nur Französisch vor französischen Gerichten akzeptieren. Also musste ich es noch mal ins Französische übersetzen :)

Am Vorabend war es ein Gefühl, wie vor dem Abitur. Dieser Tag würde über den Rest meines Lebens entscheiden. Ob die Kinder weiter einen echten Vater haben, oder eben nicht - und wie unser Verhältnis dann sein wird, wenn sie groß sind. Entfremdet oder Vertraut.

Doch dann dachte ich um: ich habe mich darauf besonnen, was ich schon alles gemacht und gelernt habe. Aber ich dachte auch darüber nach, wie ich aus einem Negativ-Urteil das Beste machen kann. Welche neuen Optionen es bietet; und wie ich mich dennoch intensiv um die Kinder kümmern kann. Solche Sachen wie in das Haus neben der Mutter zu ziehen und ähnliches.
Und ich sagte immer wieder zu mir (vielleicht kennt das jemand aus Muhammed Ali oder anderen Programmen, die das Selbstbewusstsein stärken): I am the greatest. (<=das hilft wirklich)
In dem Moment wo ich diese innere Veränderung machte, fiel die Angst und die Ungewissheit von mir und ich fühlte, dass - was immer auch passiert - ich werde das Beste draus machen. Aber das Wichtigste ist, dass ich meinen Kindern vorgelebt habe mit Mut für das was Bedeutung hat einzustehen.

Im Prozess selber war ich dann auch extrem gut gelaunt und konnte mich vorzüglich mit dem Richter unterhalten - ich hatte ja eigentlich auch schon alles in meiner Verteidigung geschrieben.

Was mir natürlich auch geholfen hatte, war die Routine, die ich in den letzten Jahren in den Gesprächen mit Beamten und Behörden gewonnen hatte. Danke an alle, die mir ihr Vertrauen geschenkt haben und mich für ihre Sache einstehen haben lassen.

Also meine Kurzzusammenfassung, wenn ihr vor Gericht steht:
1.) Zeigt, dass ihr super Eltern seid. Dass ihr für das Wohl eurer Kinder sorgt (Bildung, Hygiene, Versorgung, soziale Kontakte, Integration in die Gesellschaft)
2.) Weist niemandem die Schuld zu - es geht darum, dass ihr es gut macht. Es ist egal ob jemand anderes Mist verbockt hat oder ob es jemand anders schlechter macht. Es geht darum, dass ihr es gut macht.
3.) Zeigt, dass ihr eure Kinder liebt und dass das etwas sehr wertvolles ist.

Als wir damals (wir dachten ja ins Ausland flüchten ist *die* Lösung) nach Frankreich ausgewandert sind, wusste keiner von uns beiden, dass dieses Auswandern die Beziehung so stark belastet, dass wir nur noch ein paar Monate zusammen haben. Und als mir Auswandern damals als der beste Weg erschien dachte ich auch nicht, dass ich mich irgendwann vor einem franz. Gericht nach franz. Recht verteidigen müsse.

Ich habe es ohne Anwalt gemacht, da ich meine Strategie fahren wollte - und es hat sich am Ende gelohnt.


Sonntag, 15. Mai 2016

Führung übernehmen

Letztens waren wir beim Pflanzen-Kölle im Indoor-Spielplatz. Dort hat Chopper dann angefangen den Ballpool von unten 2 Etagen nach oben zu verlegen.
Ich habe nicht alles mitgekriegt, aber als ich kurz reinschneite waren alle Kinder (ca. 10 Kinder waren gerade anwesend) dabei mitzuhelfen inklusive seiner Geschwister.
Er hatte eine Kette organisiert so dass die Bälle in einem Mal von unten nach oben durchgereicht wurden.
Das ist wirklich interessant, denn in anderen Settings ordnet er sich stark unter - z.B. im Schachclub, während er in anderen einfach ein normales Teammitglied ist (z.B. Paddeln).
Die Sozialisation gestaltet sich also sehr vielschichtig und er probiert verschiedenste Rollen aus.

Mal wieder ein Update - Gerichtstermin, Namis Berufswunsch, Chopper wird Flügge und Sanjis Leseparty

Zuerst der Gerichtstermin, da meine Ex findet ich mache zu wenig "Schulstoff" und zu viel "Bildung" mit den Kindern, aber Schulstoff wichtiger ist hatte ich jetzt einen Gerichtstermin vor einem franz. Gericht.
Natürlich konnte ich spielend alle Anzweifelungen und Anschuldigungen vom Tisch fegen, zumal ich mittlerweile gewohnt bin mit "Autoritäten" zu sprechen und einen lockeren, freundschaftlichen Umgang zu jedem Menschen pflege.
Ich war am Abend vor dem Termin nervös... es hat sich so wie vor dem Abitur angefühlt... wo man sich denkt: Heute ist der letzte Tag dieses Lebens und wenn ich es morgen versaue, dann ist alles vorbei und ... keine Ahnung. Es ist wie der Vorabend einer großen Operation am offenen Herzen, heute singen noch die Vögel, die Sonne scheint, aber am nächsten Tag kann schon alles wirklich für immer vorbei sein.
Und dann hatte ich kurz vor Sonnenuntergang die Wende. Mir ist alles bewusst geworden, was ich gelernt habe, wie viel ich trainiert habe, an mir gearbeitet habe, wie ich tausend mal hinausgegangen bin um zu wachsen... und zu wachsen... wie oft ich meine Komfort-Zone verlassen habe...
Und dann war da nur noch der Spruch von Muhammed Ali (oder wie man ihn schreibt): I am the greatest!
Es war so eine tiefe innere Überzeugung, dass was auch passiert, ich das Beste daraus mache, wie ich es schon tausendmal geschafft habe und noch 50.000 mal schaffen werde. Ich war in diesem Augenblick unbesiegbar.
Und diese Einstellung hat mich dann nicht mehr verlassen.... selbst vor der Verhandlung bin ich noch herumgetänzelt vor innerer Freude wie ein Boxer im Ring.
In der Verhandlung selbst war ich dann noch gelöster, mein Geist war klar wie Bergwasser und meine Erwiderungen (obwohl in Französisch) kamen einfach so.
Ich wusste einfach, dass ich es kann. Dass ich größer als die Situation bin und dass ich auch größer als jede Niederlage bin... selbst wenn eine käme... ich würde es in etwas Positives verwandeln.
Wow... das war mein "One Moment in Time".

Ich habe auch eine politische und soziale Bewegung gegründet, die auf diesem Prinzip gründet: Nimm immer den größten nächsten Schritt, der sich anbietet. Gehe nie einen Schritt zurück, denn Du trittst allen die hinter Dir stehen auf die Füße. Wenn Du nach hinten gehst, dann nur um Anlauf zu nehmen.

So... und jetzt wie geht's den Kindern. Mein inneres Wachstum wirkt sich sehr stark auf meinen Umgang mit den Kindern aus. Ich habe eine neue Lockerheit entwickelt, so dass wir wirklich viel Spaß und Freude miteinander haben.
Nami will nun Klinik-Clown werden. Ich finde das einen tollen Job, als ich im Krankenhaus war kamen die mal zu mir und ich dachte mir nur: "Clowns.. echt jetzt? Ich habe hier ganz andere Probleme und da kommen die roten Nasen herein und wollen mich zum *Lachen* bringen. Lachen ist absolut daneben in meiner Lage." - und sie haben es trotzdem geschafft. Ich kann mir vorstellen, wie schwer es für einen Clown sein muss todkranke Kinder zum Lachen zu bringen... oder Erwachsene. Aber es macht so einen Unterschied. Und jetzt will sie genau diesen Job mit den Worten: Lachen ist die beste Medizin.
Nach all dem Gehänge mit dem Lesen liest sie nun sehr gut. Pro Woche ca. ein Buch; ihr Ziel ist es alles von Astrid Lindgren zu lesen. Ich habe jetzt ein paar neue Bücher angebracht ("Briefe vom miesesten Planeten des Universums" und "Der 14.te Goldfisch") und sie fängt auch an diese zu lesen.

Chopper hat sein erstes längeres Zeltlager. Insgesamt 4 Übernachtungen. Er hat gesagt: Er genießt es ohne Eltern, wir sollen bloß nicht vorbei schauen. Autsch... aber er wird bald 12...
Er liest aktuell ein Buch nach dem anderen. So ca. 1200 Seiten in der Woche. Sein Skill-Training hat er deswegen schleifen gelassen und ich habe eine Weile zugeschaut. Ich wollte sehen, was daraus kommt. Aber er las einfach noch mehr - und noch unansprechbarer. Er hat jetzt alle Bücher durch, die Worte wie "Chroniken", "Drachen" oder "Reiter" drinnen hatten. Drachenreiter, Adlerreiter, Pegasusreiter, Phönixreiter... fehlen nur Pferdereiter und Eselsreiter. Ich habe ihm dann wieder sein Skill-Training ans Herz gelegt, das ist einfach wichtig meiner Meinung.
Aktuell lernt er Französisch, Latein und Italienisch. Für Latein ist er sogar schon Contributor auf Memrise. Mit einem sehr schönen Text in seiner Bio. Da steht, dass er das Interesse an Latein durch seinen Vater bekommen hat, der bei jedem Wort die lateinische Wurzel erzählt hat.
Wir haben jetzt die Gewohnheit eingeführt jeden Tag macht jeder einen Haushaltstask. Chopper hat wirklich das Kochen übernommen. Das ist echt toll, nicht mehr jeden Tag kochen zu müssen. Nur manchmal komme ich in die Küche, das Nudelwasser ist komplett verdampft und er ist 40 Seiten in seinem Buch weiter.

Sanji hat - endlich, dass ich das noch erleben darf!!!! - ohne Probleme Lesen gelernt. Damit ist er mein erstes Kind, das sich - wie in den "Kinder lernen selber"-Ratgebern - innerhalb kurzer Zeit und mit nur wenigen Tipps und Übungen Lesen beigebracht hat. Man möchte sagen fast von selbst. Er liest nun schon so gut, dass wir seine Leseparty geben.
Interessant ist wie die Kinder schon rechen. Ich habe nur hin und wieder kleine Tipps gegeben. Die Mutter hat sie auf Khan Academy verfrachtet und manchmal diskutieren wir über mathematische Probleme (aber eben nicht rechnen) und sie rechnen echt Dinge wie: 2*96 oder 1050 /2 - auch Sanji rechnet das schon ziemlich akkurat.
Ich lege da zwar weder Wert noch Fokus darauf, sonder vermeide das Thema eher, aber ich finde es dennoch interessant, wie sich so was entwickelt.

Aktuell lernen die beiden Kleineren eine Fremdsprache und 10-Finger-System. Nami lernt Spanisch auf Duolingo und Sanji kuckt Peppa Pig in Spanisch an.



Freitag, 15. Januar 2016

Update - Das Ende der Dyslexie und weiteres

Vielleicht erinnert sich noch der ein oder andere, dass Nami noch vor 15 Monaten stark mit dem Lesen kämpfte - dann haben wir durch ein sehr hartes Training die 48 Wörter pro Minute erreicht. Ein Niveau, auf dem man flüssig lesen kann - nicht super, aber halt so, dass man die Geschichten versteht.

Fast Forward in die Gegenwart: "Eine Woche ohne Lesen hätte ich nicht überlebt" - ich war wirklich überrascht, als ich diesen Satz heute gehört habe.
Was ist in diesem Jahr passiert?

Nach dem harten Training machten wir praktisch einen kompletten Stopp. Es gab keinerlei Training mehr. Ich war erschöpft - sie war erschöpft. Und das Ziel war vorerst erreicht.

Nach ein paar Wochen der Pause lieh ich dann Comics aus... die Reihe "Der kleine Prinz" war besonders interessant. Auch Garfield, Donald Duck, Goofy und Hägar (wobei sie Hägar nicht so mochte). Auch andere leichte Kost. Am Anfang hatte sie noch gemeint: "Ich hasse Comics".

Doch mit der Zeit - und ich ließ sie da einfach in Ruhe - legte sich das und sie fing an die Comics zu lesen. Wenn ich sie sah, wie sie auf der Couch eines las, ging ich schnell weiter - tat so als ob ich nichts gesehen hätte. Nicht, dass sie aus stolz ihre Aussage "Ich hasse Comics" demonstrieren musste und das schnell weglegte.

Und so ... liest sie mittlerweile praktisch alles von Astrid Lindgren. "Kinder aus der Krachmacherstraße", "Kinder aus Bullerbü", "Michel bringt die Welt in Ordnung" und all das.

Man möchte es fast gar nicht glauben.
Ich habe dann letztens eine Lesemessung mit ihr gemacht. Mit RapidTyping. Und sie war bei ca. 300 Zeichen pro Minute. Das ist praktisch eine altersgemäße Lesegeschwindigkeit.

Rechtschreibung? Die wird kommen :) Jetzt soll sie erst mal ihr Lesen genießen. Und in einem Jahr schreibe ich dann darüber :)

Aktuell lernt sie als Skill-Trainings: Spanisch und 10-Finger-System. Und bei 10 Finger-System ist sie mittlerweile bei 70 Zeichen pro Minute.

Sanji (bald 7 Jahre) liest nun auch ziemlich normal. Wagt sich auch an kleinere Bücher heran und ist auf einem Niveau, dass ich alles Lesetrainings aufgehört habe. Auch er lernt jetzt 10-Finger-System. Auch wenn er noch sehr klein ist und seine Fortschritte mehr spielerisch sind, macht es ihn schon stolz auch da besser zu werden.

Chopper.... wo fange ich an? Er hat nun seine 8 oder 9 Kurse. Und lernt Französisch (hier schon ein sehr gutes Niveau - gerade übersetzt er mir Tintenherz (Coeur d'encre), und Latein (hier übersetzt er "Cornelia" - ja das kleine Biest gibt es auch auf Latein) und Italienisch (wo wir gerade anfangen, Roald Dahls "Magische Medizin" zu übersetzen). Zusätzlich lesen wir jeden Tag zwei Kapitel in einem Geschichtsbuch (aktuell "Die Geschichte der Wirtschaft", als nächstes dann über Krieg, Philosophie und Sklaverei). Und schauen uns noch zusätzlich irgendeine Youtube-Dokumentation über Geschichte an. Wenn er etwas nicht weiß, sieht er es sofort auf seinem Handy nach. Auch finde ich ganz toll, was er für eine App-Auswahl auf seinem Handy hat: Wikipedia, Anki und Memrise.

Er wird immer erwachsener, das geht nicht nur von seiner eigenen Entwicklung, sondern auch im Haushalt macht er seine Tasks praktisch von sich aus. Motzt nicht herum, sondern weist die beiden anderen Kinder darauf hin, dass sie - wenn sie mal ausgezogen sind - keinen Vater mehr haben, der das alles für sie übernimmt. Ich war wirklich erstaunt, als ich das hörte. Dankbarkeit für die Dinge, die andere für einen tun, finde ich eine der wichtigsten Eigenschaften. Zusammen mit Großzügigkeit in dem was man für andere tut.

Auch durch seine vielen Sportarten: Paddeln, Schwimmen, Parcours, Tanzen und Klettern ist er in seiner körperlichen Entwicklung auch sehr gut dabei.

Es ist einfach nur schön zuzusehen, wie Kinder jeden Tag größer und stärker werden. Und trotzdem bleibt ihnen noch so viel Zeit für Freunde und Spielen :)

Mittwoch, 16. Dezember 2015

Treffen mit der Arbeitsgemeinschaft für Bildung der SPD

Heute war das Treffen mit der SPD Arbeitsgemeinschaft Bildung.

Wir waren locker in einem Restaurant und es waren 7 Menschen da. Ich war als Referent geladen und da es ein offenes Treffen war, war auch jemand von Aktion Schulen im Aufbruch da.

Zuerst kam eine Vorstellungsrunde in der ich die Schulfrei Bewegung vorstellte, neben den regionalen Gruppen, die Kontakte bieten, auch die Gruppe in der konkrete Handreichung und Rechtsbeistand für Schulverweigerung gestellt wird. Die Vorsitzende erzählte, dass es ein paar harsche Absagen zu dem Thema gegeben hat - was ich mir sehr gut vorstellen kann. Ich war verwundert, dass die SPD überhaupt so offen war. Immerhin stand es sogar auf ihrer Homepage.

In der Einladung waren schon Youtube-Links zu Andre Stern, Moritz Neubronner und einer Studie drin, so waren die Mehrzahl der Teilnehmer nicht ganz neu zu dem Thema.

Danach kam das Gespräch darauf zu sprechen, dass es in Deutschland mittlerweile eine recht große Szene gab, die aber ohne jegliche staatliche Aufsicht und unter jedem Radar operiert - und hier der Staat, so lange er auf ein reine Schulanwesenheit bestehe - sein Wächteramt vernachlässigt. Da er durch die Gesetzgebung viele Menschen dazu bringt sich zu verstecken und zu isolieren.
Ich machte weiterhin darauf aufmerksam, dass genau das Gegenteil für die Kinder und auch die Eltern erreicht werde - nämlich das Gesetz bewirke soziale Isolation, ein zurückziehen von der Gesellschaft und ein Abwenden vom Staat, dem man diese herrliche Erfahrung verdankt.

Hier gab ich zu bedenken, dass Moritz Neubronner, der ja viel mitmachen musste, in einem Interview über seine Zukunft sagte, dass er sich überlege Politologie zu studieren um etwas zu ändern. Also scheint hier eine sehr resiliente Einstellung durch Homeschooling erzeugt worden zu sein - er geht nicht in die Opferrolle und sieht den Staat als Täter, sondern sieht den Staat als etwas zu veränderndes und sich als einen Akteur, der hier Wirkung erzielen kann.

Auf das Thema Resilienz kamen wir natürlich auch. Das Leben ist ja kein Wunschkonzert und es hört sich sehr nach: Man darf machen was man will und lassen was einem schwer erscheint.
Ich klärte darüber auf, dass
1.) die Welt auch ohne Schule nicht immer ein Wunschkonzert ist - und wenn sie es wäre, dann wäre das Argument hinfällig.
2.) um einen Abschluss zu bekommen muss man in Deutschland als externer Prüfling sogar höhere Anforderungen erfüllen als als normaler Schüler

Und Drittens gäbe es mittlerweile sehr viel Resilienzforschung. Und da Resilienz lernbar ist und zwar in einem ungeheuren Ausmaß ständen mittlerweile auch Übungen zur Verfügung, diese zu trainieren. Wenn man sich aber diese Übungen anschaut, dann sehen die sehr wenig der Schule ähnlich. So ist z.B. eine Übung sich mehrere Verlierer und mehrere Gewinner vorzustellen und dann darüber nachzudenken, was haben die Gewinner gemacht um Gewinner zu werden. Über wie viele Steine musste sie springen, durch wie viele Feuer gehen und wie oft wurden sie zu Boden geworfen, wie hart mussten sie an sich arbeiten? Und nun soll man sich die Verlierer vorstellen, und sich fragen: Was müssen diese Menschen machen, damit sie stark werden? An welchen ihrer Fähigkeiten müssen sie trainieren, welchen Aufgaben müssen sie sich stellen um ihre Träume und Ziele zu erreichen?
Die Übung zielt darauf ab, dass niemand ein Verlierer ist und auch kein Gewinner vom Himmel gefallen ist. Man steht jeden Tag neu auf und entscheidet aufs Neue, wer man wird. Im Gegensatz zum Schulalltag, wo (laut Studien) in den ersten 3 Wochen jedem seine die Schublade geöffnet wird und dann bis zur 11. Klasse stabil bleibt. Hier ist man wer man ist und das bleibt starr und die einmal gebauten Vorurteile wieder zu überwinden ist schwer bis unmöglich.
Die Schule ist - wenn man sich die Resilienzforschung anschaut - einer der schlechtesten Orte um ein starker Mensch zu werden.

Ist es nicht eine Flucht aus dem Schulsystem. Auch hier antwortete ich, dass es verschiedene Motivationen für Eltern gäbe. Es ist keine Flucht, es ist eine Wahl. Es ist eine weitere Option, so wie eine Montessori oder eine Waldorf Schule. Flüchten die? Oder finden sie einfach etwas anderes besser und mit welchem Recht verbietet man es nun?

Der nächste Punkt war dann Unterordnung - unter den Chef, unter den Wecker.
Hier konnte ich mir nicht verkneifen anzumerken, dass wenn Schule der einzige gute Platz ist um zu lernen, wie man sich unterordnet - und der Rest der Welt nicht-  dann würde ich es mir zweimal überlegen, ob ich diese Lektion im Dücken so unbedingt haben möchte.
Aber wieder gilt, dass Homeschooler im Arbeitsleben erfolgreich sind und auch ihren Schulabschluss gut schaffen. Und hier müssen sie sich definitiv Anweisungen unterordnen.
Zum Wecker: natürlich stehen Homeschooler nicht jeden Tag um 7.30 Uhr auf, sondern schlafen eher aus. Wobei Ausschlafen ja auch nicht das Schlechteste ist für die Entwicklung. Dennoch, wenn sie einen Kurs haben, der um 9 Uhr beginnt oder um 8, dann stellen sie sich den Wecker und stehen dann auf - und zwar nicht weil man mich zwingt, sondern weil ich in diesen Kurs will.

Hier hob ich den Unterschied zwischen externer und interner Disziplin hervor. Während Schule zum großen Teil versucht externe Disziplin zu erzielen, ist beim Homeschooling interne Disziplin ein wichtiger Faktor. Hier geht es um die Erreichung von eigenen Zielen.

Bei all dem wies ich aber immer darauf hin, dass es eine breite Palette an Homeschoolern gibt. Es gibt die, die Schule zu Hause machen: mit Noten, Lehrplan, Pulte und Tafel bis hin zu denen, die ihre Kinder bei ihren Interessen unterstützen. Es gibt nicht: DEN typischen Homeschooler und alle machen das so wie er. Es ist vielmehr so, dass es keine zwei Familien gibt, die es gleich machen. Und sogar von Kind zu Kind gibt es Unterschiede im Homeschooling innerhalb einer Familie.
Ich wies auch darauf hin, dass ein Lehrer circa 8000 Stunden mit einem Kind verbringt - während dessen gesamter Schulkarriere. Während ein Elternteil innerhalb der ersten 3 Jahre schon 8000 Stunden mit dem Kind verbringt - und somit ist ganz klar, der Elternteil der Mensch, der die Bedürfnisse des Kindes am Besten kennt und am ehesten darauf eingehen kann.

Natürlich kam es auch auf Sozialisation zu sprechen. Hier konnte ich (teils aus eigener Erfahrung) erklären, dass ein Kind das nur ca. eine Stunde am Tag mit Lernen verbringen muss natürlich viel mehr Zeit hat um andere Menschen kennen zu lernen, als ein Schulkind. Ein Schulkind hat die ca. 30 Kinder aus seiner Klasse - davon vielleicht 5 die interessant sind, da sie ähnliche Interessen haben. Und dann noch vielleicht Zeit für ein oder zwei Kurse. Während ein schulfreies Kind Zeit für viele Kurse hat. So hat Chopper mittlerweile 9 Kurse pro Woche. Jeder Kurs bietet Kinder, die ähnliche Interessen haben - nämlich diesen Kurs. Das führt zu viel mehr potentiellen Freunden als bei einem Schulkind. Zusätzlich gibt es auch einen Kurs in dem nur erwachsene Männer sind (der Schachkurs) und dies bietet noch einmal eine ganz andere Sozialisationserfahrung - die auch sehr wertvoll ist.

Es entstand noch der Eindruck, dass Homeschooling nur etwas für kreative Berufe ist. Also sehr elitär. Es werden nur hochausgebildete Berufe angestrebt - der normale Call-Center-Mitarbeiter scheint aus der Schule rekrutiert werden zu müssen. Auch hier wies ich 1.) wieder darauf hin, dass Homeschooling nicht homogen ist. Es gibt auch hier wie beim normalen Schulsystem, das standard System und dann noch die kreativen reformpädagogischen Strömungen.
Und 2.) ist auch nicht jeder Mensch / Schüler für einen kreativen Beruf geschaffen, es gibt manche Kinder, denen liegen Zahlen mehr als Romane schreiben und andere die sprechen gerne mit Menschen während andere mit Büchern liebäugeln. Menschen sind verschieden - und so werden es auch die Berufe sein, die sie später ergreifen.
Es gibt eine einzige mir bekannte Gesetzmäßigkeit, nämlich, dass Homeschooler in den Finanzberufen sehr stark unterrepräsentiert sind.

Zusätzlich entstand noch der Eindruck, dass Erfolg ja klar ist, wenn beide Elternteile bildungsaffin sind und das Kind von Büchern umgeben ist. Hier konnte ich auch entgegenhalten, dass 1.) der Unterschied in den Leistungen laut Statistiken nicht groß ist. Nämlich bei Doppel-Akademiker-Eltern (also beide Akademiker) die Leistungen des Kindes in Vergleichstests im 88 Perzentil Bereich sind -während sie bei Nicht-Akademiker-Eltern im 81 Perzentil sind. Also Homeschooling ist hier das ultimative Mittel um Chancengleichheit im Bildungsbereich herzustellen.
Und 2.) aktuell Schwarze aus der Unterschicht in den USA Homeschooling für sich entdecken. Da die Schulen ihre Kinder aktuell nur aussortieren - während sie mit Homeschooling eine echte Chance haben. Einzig zählt das Interesse am eigenen Kind - und das ist bei den meisten Eltern sehr stark.

Zusätzlich kam natürlich das Gespräch auf die Herkunft und den Sinn der Schulpflicht für den Staat. Hier wies ich (und ein anderer aus der Runde) darauf hin, dass Homeschooling noch in der Weimarer Republik ging. Aber dann 1938 radikal verboten wurde. Die Ursprünge der Schulpflicht sind zwar bei Königen und Kaisern zu finden, sie entstammen aber allesamt dem preußischen Militarismus zum Zweck tüchtige Rekruten zu haben. Auch die Idee mit der Verhinderung von Kinderarbeit kam zum Ausdruck. Jedoch auch dieses stimmt größtenteils nicht. Die Maschinen wurden nur zu komplex um noch von Kindern zu bedient werden, zusätzlich gab es auch sehr hohe Todesfallraten und einen wachsenden politischen Widerstand gegen die schlechten Auswirkungen der Kinderarbeit (der Protest wurde allerdings in Deutschland blutig niedergeschlagen und hatte nur in England Erfolge). Natürlich konnte man aber mit der wachsenden Komplexität von Maschinen auf die Kinder verzichten - aber auf die Eltern nicht und so mussten die Kinder anders beschäftigt werden - am besten vorbereitet auf den späteren Dienst an der Maschine.

Ebenfalls wies ich darauf hin, dass durch das Festhalten am "Nur-In-Der-Schule"-Leitsatz schnelle und einfache Möglichkeiten ausfallen und unmöglich werden. So hat man in England einen Schul-Bus, der mit allem ausgestattet ist, was man zum Lernen braucht (Sprach-Kurse bis Chemie-Labor) versucht. Dieser kann nun in der aktuellen Flüchtlingskrise von Flüchtlingsheim zu Flüchtlingsheim fahren - die Lehrer springen heraus und bauen die Wissens-Stände auf, bei denen jeder dann einfach lernen kann.

Alles in allem war das Gespräch sehr gut und man fragte sich, was man da jetzt für einen Antrag schreiben könnte um das zu unterstützen. Aber in der SPD ist es natürlich ein langer Weg, da ja an einem Dogma gerüttelt werden. Während manche dafür waren die Schulpflicht sofort zu lockern oder die Bildungspflicht nach dem französischen Modell einzuführen oder dem österreichischen war anderen klar, dass es ein langer Weg sein würde - in Deutschland und in den Parteien.

Hier wies ich auch wieder auf die Stern Umfrage und auf meine Erfahrung auf den Straßen hin, dass mittlerweile außerschulische Bildungskonzepte eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung finden (in der Umfrage im Stern sogar 76 % ) während die Politik durch ein aggressives "Wegschauen" sich hier sehr weit von den Bürgern entferne.

Ich erklärte auch noch meine Arbeit in der Begleitung und Vermittlung zwischen Jugendamt und Fällen mit Homeschooling.

Am Ende bekam ich noch einen Rot-Wein als Geschenk - worauf ich antwortete, dass ich Amisch sei und nicht trinke. Nach einer Schrecksekunde löste ich auf und erklärte, dass das nur ein Spaß war. Ich konnte es mir einfach nicht verkneifen mit möglichen Vorurteilen zu spielen, die ja tief in uns allen sind :)
Ich musste aber wirklich die Offenheit des Treffens loben, denn als ich das erste Mal von Homeschooling hörte, da hatte ich vor meinem inneren Auge Kinder, die von ihren Eltern in die Besenkammer gesperrt wurden. Mittlerweile sind 8 Jahre vergangen und ich weiß, was es für eine tolle Möglichkeit ist und wie viel Freiheit ein schulfreies Leben bietet.