Sonntag, 22. Februar 2015

Unschooling - Homeschooling - Freilernen - Radical Unschooling - Hackschooling - Worldschooling - XYZSchooling

Wenn man neu beim Schulfreien Lernen ankommt, dann wird man nach einer kurzen Pause (in der man erst mal sacken lassen muss, dass Schule doch nicht die beste Idee ist, sondern vielleicht sogar eher eine sehr Schlechte) von vielen neuen Begriffen überwältigt.
Nein! Erschlagen!
Man fühlt sich sehr orientierungslos, da alles was man bisher für richtig hielt (Schule gut, Mehr Schule besser) auf einmal falsch ist (Schule schlecht, mehr Schule Katastrophe).

Zeugnisse - bäh. Bestrafen - bäh. Motivieren - bäh. Belohnen - bäh. In gutes und schlechtes Wissen unterteilen - bäh. Allgemeinwissen - bäh. Noten - bäh. Stundenplan - bäh. Hausaufgaben - bäh. Früh aufstehen - bäh (naja, da hatte manch einer schon so ein Vorgefühl :) ). Melden - bäh. Erwachsene sind die Bestimmer - bäh. Einen Job mit so viel Prestige wie möglich und so viel Geld verdienen wie möglich - halbbäh. Diszipliniert werden - bäh.
Und die Liste lässt sich noch endlos weiterführen.

Man fragt sich dann: Was stimmt jetzt eigentlich noch? Und was nicht? Wer bin ich? Was hätte alles aus mir werden können, wenn ich mich einfach hätte entwickeln können? Wenn mich die Schule nicht verbogen hätte? Wie eine Aluminiumfolie, die um irgendeine Arbeit rumgewickelt wird, die in unserer Gesellschaft gerade verrichtet werden soll?

Man versteht auf einmal den kompletten Text des Liedes "Logical Song" von Supertramp und schließt mit der Frage: "Won't you please, please tell me who I am!".

Es ist eigentlich wie bei dem Eintritt in einer Sekte (habe ich mal irgendwo gelesen). Zumal die Reaktion des Umfeldes auch ähnlich ist: "Was Homeschooler? Aber, aber... bist Du jenseits von Gut und Böse???" (ratlose Gesichter). Man hat auch nicht wirklich Leute, mit denen man sprechen kann und seine Erfahrungen austauschen kann: "Also mein Kind hat jetzt 620 Kapitel One Piece gelesen und sich 5 Piratenschwerter gebaut... muss ich mir Sorgen machen???"

Um nun einen ersten Halt für alle, die gerade in diesem Dschungel angekommen sind zu geben. Ihnen sozusagen eine kleine Machete und einen Kompass in die Hand zu drücken will ich nun die wichtigsten Begriffe *korrekt* erklären. Egal was irgendjemand anders behauptet, die nun folgende Erklärung ist vom internationalen Zentralrat des Non-Schooling in Den Haag abgesegnet worden und wird nun mit der Welt geteilt:

1.) Home-Schooling: Du hast Dich also entschlossen Deine Kinder nicht zur Schule zu schicken. Wahrscheinlich ist das ein großer Schritt und viele fangen nun an, die Schule zu Hause nachzubauen. Schulbücher, Schreibtische, vielleicht sogar eine kleine Glocke, eine kleine Tafel, Kreide und manche geben ihren Kindern sogar Noten. Willkommen in der Welt des Home-Schooling. Du versuchst nun wahrscheinlich Deinen Kindern den normalen Lehrplan besser beizubringen und kannst mehr auf ihre Fragen eingehen. Die gute Nachricht: Deine Kinder werden laut Forschung durch den besseren Schlüssel alleine schon einen Vorteil haben gegenüber einem Schulsetting.

2.) a) Unschooling: Manche Sachen in der Schule erschienen Dir fragwürdig... nunja... schwachsinnig. Total hirnverbrannte Erfindungen von kranken Köpfen, die nur dazu da waren Dich und Deine Mitschüler zu quälen - z.B. Mathe. Du willst natürlich diese Sachen nicht an Deine Kinder 1:1 weitergeben. Also lässt Du sie weg. Du lässt *schulische* Dinge weg: Un-Schooling. Das kann das Zeugnis sein, das können die Noten sein, das kann die komische Evolution sein, oder Du findest Evolution extra-klasse und wünschtest Du hättest sie damals richtig erklärt bekommen (denn laut einer Aussage verstehen die wenigsten Lehrer Evolution, sondern sind eher Lamarckisten).
Wo auch immer Du von der Schule abweichst: Unschoolst Du.

/Legacy of John Holt - ca. Minute 5 + ca. Minute 47


2.) b) Der Begriff Unschooling bezeichnet am gebräuchlichsten eine Form des Home-Schooling, bei der zumindest kein Lehrplan, keine Noten und keine Tests stattfinden. Es ist ein Interessen-getriebenes LOD (Learning On Demand).
Ein paar gute Bücher:
Aus schlauen Kindern werden Schüler. Von dem, was in der Schule verlernt wird - John Holt
Wie Kinder lernen - John Holt
Free to Learn - Pam Laricchia

3.) a) Deschooling: Wie kamst Du eigentlich darauf, dass dies oder das in der Schule doof ist? Vielleicht hast Du jeden Tag Angst gehabt in Mathe zu sitzen und hast Dich stundenlang mit den Hausaufgaben gequält .... im echten Leben hast Du dann nie wieder Mathe gebraucht und fragst Dich seitdem warum Du das durchmachen musstest? Vielleicht wurdest Du auch in Deiner Klasse gemobbt und hattest eine Zeit lang nach der Schule sogar noch Angst vor Menschen ... im echten Leben hast Du gemerkt, dass die meisten Menschen nett sind. Kein Mensch versucht Dich den ganzen Tag als den letzten Dreck hinzustellen, und wenn es doch solche Bullies mit gestörtem Verhältnis zur Gewalt irgendwo gibt, dann kann man ganz einfach den Raum wechseln. Aber wieder stellt sich die Frage, warum man jahrelang mit diesen Menschen eingesperrt war - als Kind, als man sich am wenigsten wehren konnte.
Diesen Prozess des Infrage-Stellens nennt man Deschooling. Man hinterfragt seine Erfahrungen, die man in der Schule gemacht hat und die damals als gottgegeben dargestellt wurden. Dies kann schmerzhaft sein. Da man vergewaltigt wurde, ohne es zu wissen und im festen Glauben dazu erzogen wurde, dass dies gut und wichtig für die Entwicklung sei.
Deschooling Society - Ivan Illich

3.) b) Deschooling: Deschooling nennt man auch den Prozeß des Befreiens bei Kindern, die in der Schule waren oder ein ähnlich kompetitives, gezwunges Lernsetting hatten. Oft werden Kinder die starke Schulprobleme hatte und deren Eltern dann eine "kognitive Wende" (eine sehr schnelle und rasche Transition vom Schooling zu Unschooling machen) machten so beschrieben, dass sie sich komplett gehen lassen. Nichts mehr machen wollen außer Junk-Food und Fernsehen. Und man soll dies zulassen. Nach einiger Zeit (im Raum stehen oft 2 Wochen bis 2 Monate pro angefangenem Schuljahr) kehren die Kinder dann zu den natürlichen Bedürfnissen und menschlichen Verhaltensweisen zurück. Also Selbst-Effektivität, Intrinsische Motivation, natürliche Neugier, etc.
Da das nach 6 Jahren Schule schon 1 ganzes Jahr sich selbst gehen lassen sein kann, bin ich kein Freund von diesem Ansatz. Ich bin eher Vertreter einer langsamen Transition von fremdbestimmt in selbstbestimmt. Jemand der dann selbstbestimmt ist wird dann selbst entscheiden können, ob er jetzt wirklich ein Jahr Fernsehen will und Junk-Food haben will.

4.) Radical Unschooling: Nehmen wir an, Du hast nun *ALLES* hinterfragt. Und hast gesagt: Ja, ich finde alles wirklich bäh, was da in der Schule veranstaltet wurde. Jetzt hast Du in einem jahrelangen Prozess alles über Bord geworfen und fühlst Dich komplett Gewalt- und Wertungsfrei, keine Zeugnisse, keine Stundenpläne. Spielen an der Wii und der Playstation zählt genauso als Lernerfahrung wie das Studieren von Nuklearphysik und das Entwickeln mathematischer Modelle zur Krebsbekämpfung. Anschauen von Twilight und The Walking Death zählt genauso viel wie in einem Flashmob gegen Tierversuche mitzumachen.
Das ist sozusagen der Zen-Himmel der Erziehung. Da Du nicht mehr wertest kann nichts zwischen Dir und der Beziehung zu Deinen Kindern stehen. Du erwartest nicht mehr, dass sie etwas "sinnvolles" (in Deinen Augen) machen, da sie ja ihren Sinn erst selber finden müssen. Das bedeutet sich "The Walking Death" anzusehen, kann auch zu irgendwas führen - Du weißt es nur nicht, weil es ihr Leben und ihre Bildung und ihre Ziele und ihre Träume und ihre Welt ist. Du akzeptierst aber Deine Kinder als gleichberechtigte Menschen, die ihren Weg finden.
Wenn Du irgendwann denkst Du bist ein "Radical Unschooler" dann warte ab: Es gibt immer noch einen der so dermaßen mehr "radical" ist, dass Du dagegen wie ein konservativer Spießer aussiehst, der den ganzen Tag nichts macht außer Erbsen zu zählen.
Radical Unschooling - oder sogar der "radicalste" zu sein - ist kein Wettkampf. Es ist auch nicht die Königsdisziplin! Es ist einfach eine Wahl, die jemand für sich trifft oder nicht. Es ist ein Weg, den man geht oder nicht.
Auch wenn man in manche Mailing-Listen stolpern kann (z.B. die von Dayna Martin - der Frau, die den Begriff "radical unschooling" stark geprägt hat) in denen alles andere als "falsch" oder "nicht-unschooling"-mäßig proklamiert wird, so hilft es doch "Unschooling" nicht als Religion mit nur einem Gott zu verstehen.
Und egal, wie viele Dinge Du von der Schule loslässt - Du gehst einen Weg. Das ist schon etwas! Schon allein den Kindern die Wahl zu geben, ob sie in die Schule wollen oder nicht ist ein immens großer Schritt für den Dich die prüfenden Blicke unserer Gesellschaft schon genug strafen werden.
Gehe nur die Schritte mit denen Du Dich gut fühlst, die Dir einfach fallen. Es geht nicht darum ein perfekter Radical Unschooler zu sein - es geht darum die eigenen Ziele der Menschen in Deiner Familie zu finden und zu leben.

5.) Freilernen
Ist der deutsche Über-Begriff von fast allen dieser Dinge. Er ist noch recht diffus und ich habe auch schon Eltern von Kindern an "freien Schulen" sich als Freilerner bezeichnen hören. Oft wird da der Fokus auf die intrinsische Motivation und den inneren Lehrplan der Kinder gelegt.
Man geht hier also davon aus, dass Menschen in sich bestimmte Interessen tragen, die auf ihre Entfaltung warten (hier mischt es sich also mit Unschooling). Man geht davon aus, dass diese Entfaltung in freudvoller und mit praktisch unaufhaltsamer Energie vonstatten geht.
Ein gutes Buch hierüber ist: Olivier Keller - denn mein Leben ist Lernen
Als Beispiel gilt hier Andre Stern, der irgendwann angefangen hat den ganzen Tag die Sprache Deutsch zu lernen und das bis zu 8 Stunden - oder sich Gitarrenbau aneignete, sich dann einen Meister suchte und den überredete ihn auszubilden. Respekt.

6.) Hackschooling
In einem berühmten Ted-Talk (das ist eine Serie von Vorträgen in denen Menschen Gehör finden, die irgendwas Interessantes gemacht, entdeckt, etc. haben) gibt Logan LaPlante (Home- und Unschooler) uns zu verstehen, dass man seine Bildung hacken soll. Dass man wirklich verstehen wollen soll (hacking), in welche Richtung man sich bilden will und sich dann die besten und lebensnahesten Ressourcen beschaffen soll. Das geht von Praktika in den Gebieten, aber auch Gehirnforschung, wie das Lernen an sich funktioniert. Er wirbt für eine Bildung, deren Grenzen nur noch die eigene Vorstellungskraft sind. Er definiert hier seinen eigenen Weg, seine eigene Form von "Unschooling" und gibt ihr einen Namen: Hackschooling.
Von Unschooling, Radical Unschooling, Worldschooling, Homeschooling, normales Schuling, etc. holt er sich dann nur noch Impulse. Sie gelten als seine Ideengeber - nicht als seine Dogmen. Das ist ein elementarer Bestandteil seine Bildung zu befreien.

7.) Worldschooling
Das sind Home-/Unschooler, die ihren Fokus auf Reisen haben. Sie sagen nicht den guten mittelalterlichen Spruch: My home is my castle - sondern sie sagen: Home is, where my family is.
Sie sehen die Welt, die normale Schüler aus Büchern und Ferien kennen. Oft verlassen Eltern den regulären "Wir-Büro, Du-Schule"-Weg und scheren aus in diese komplett neue Art des Lebens. Sie ähnelt etwas der Bildung des Adels und der Herrscher in Renaissance und Aufklärung. Durch Internet, Couch-Surfing, Worldschooling-Communities und umgebaute Wohnbusse ist dieses Leben heutzutage sehr viel leichter für sehr viel mehr Menschen möglich. Und man genießt die Zeit mit seinen Kindern wahrscheinlich zu einem Ausmaß, das weit hinter unseren Vorstellungen liegt. Und es wird auf jeden Fall zu der einen Entscheidung gehören, die man nicht auf seinem Sterbebett bereut.

8.) XZYSchooling
Nach diesem kurzen Abriß möchte ich (und der Zentralrat des Non-Schooling) nun empfehlen, dass jeder seinen Weg findet.
Und möchte mit Sandra Dodds schönem Satz schließen: "Lies ein bisschen, probier ein bisschen etwas neues aus, warte ein bisschen und beobachte" (Read a little, try a little, wait a little and watch).
Es ist eine wunderbare neue Welt - setz Dich nicht unter Druck. Du brauchst auch niemanden zu überzeugen (besorgte Großeltern). Die radikalste Kritik an einem bestehenden System ist es etwas anderes zu machen - und das machst Du. :)

PS: Es gibt keinen Zentralrat des Non-Schooling in Den Haag - noch an einem anderen Platz der Welt. Es gibt keinen Non-Schooling Kultusminister und auch sonst keine Autorität. Finde Deinen Weg und sieh alle anderen nur als gleichwertige Berater, deren Meinung so viel zählt wie Dein Gefühl oder Deine Meinung - oder die Meinung Deiner Mutter.

Ich hoffe der Artikel hilft Neuankömmlingen :)

Dienstag, 17. Februar 2015

Elektromotor läuft

Puh... nach langem Arbeiten. Probieren. Nachdenken und wieder probieren. Herausfinden was sich eignet und was gute Messgeräte sind, was gute Leiter und was Nicht-Leiter sind läuft nun unsere 5te (oder schon 10.te ??? ) Version des Elektromotors... ein bisschen.
Noch nicht sehr rund. Noch nicht sehr motiviert, aber es kommt Bewegung aus dem Nichts!!
Und die Batterie wird sauheiß.... :D


Der Versuch ein wissenschaftliches Fundament für Bildung zu finden in einer Welt in der es bis jetzt nur Schule gibt

(Vorweg: Natürlich gab es nicht nur Schule in unserer Welt, aber alle Industrienationen - die unsere heutige Welt bedeuten - haben das Konzept Schule einstimmig übernommen - das aktuelle Modell seit ca. 200 Jahren)

Als ich mich vor ein paar Jahren aufmachte um herauszufinden welche Bildung, welche Schule die Beste ist hätte ich nie gedacht, dass ich außerhalb der Schule landen würde.
Zuerst kam ich auf ein Modell, das ähnlich den Rennaissance-Werkstätten funktionierte. Intrinsische Motivation nach Deci-Ryan, etc.

Dann kam der Gedanke (von außen, wie alle Gedanken - ich schien unfähig eigene Gedanken zu produzieren und habe diese Unfähigkeit auch immer noch nicht überwunden) es müsste doch gar nicht in der Schule geschehen, sondern man könnte auch *außerhalb* dieser unwegdenkbaren Wände denken.

Seitdem versuche ich möglichst viel Zweitquellen (Studien, Berichte, ...) , Erstquellen (Lebensläufe, Youtube-Kanäle, etc.) und Auswertungen (Regierungsdaten, etc.) zu bekommen.

Die Schwierigkeit an einem wissenschaftlichen Vorgehen innerhalb des Bildungsbereichs ist: Es gibt praktisch keine relevante Kontrollgruppe. Man hat entweder Kulturen mit Schule, oder Kulturen, die zu arm sind, sich eine Schule leisten zu können (und erst mal nach vollständigem Ausbau der Schulen streben). Oder man hat Kulturen, die zu klein sind um als Kontrollgruppe dienen zu können.

Ohne Kontrollgruppe ist aber Wissenschaft nicht möglich. Witzchenschaft...? Und unser ganzes Schulsystem ist ein großer Inzest von sich gegenseitig bestätigenden Institutionen.

Z.B: Du kannst nur eine tollen Job kriegen mit Studium, studieren darfst Du nur mit Abi, Abi nur mit guten Noten. Und dann hast Du Erfolg. Wir wissen nicht, wie die Chirurgen ohne Studienabschlüsse sich machen. Wir wissen nicht mal mehr, wie die Führungsetagen sich machen ohne Doktor.

Von einer umfassenden Betrachtung welche Bildung nun Erfolg haben könnte und in welcher Richtung war weit und breit keine Spur. Und was Erfolg war - und an welchen Kriterien man ihn misst - das lag komplett im Dunklen. Die PISA Leute einigten sich hier auf Rechnen, Schreiben, Lesen. SAT-Test, Abitur waren schon breiter gefächert. Aber immer noch lies sich kein Erfolg an der Uni damit voraussagen. Und schon gar nicht Erfolg im Leben. Außer der, dass man ja an manche Jobs nicht ohne Abi kam.

Schule war also ein System, dass sich global seit 200 Jahren selbst bestätigte. Und immer wenn jemand daran zweifelte dort etwas Sinnvolles zu lernen, oder die Schule als schlecht hinstellte kam keine Forschung dazu auf. Aber es kamen immer ein paar Fallschirmjäger von der Lehrergewerkschaft um die Zweifler und Kritiker mundtot zu bekommen. Das System Schule überlebte Amokläufe in der westlichen Welt, massenweise Essstörungen, steigende Selbstmordraten. Nichts konnte den eisernen Vorhang der Unwissenheit mit dem sich die Schule umgab zerstören.

Sie war das totale Dogma - das jeder Wissenschaft in den ... Hintern biss. Bis vor ein paar Jahren! Und mittlerweile haben wir in den USA einen Prozentsatz von Schulverweigerern die erfolgreich ihre Bildung gestalten, der nicht mehr zu leugnen ist. Und der auch nicht mehr zu marginalisieren ist.

Und es gibt immer mehr Forschung über den Effekt der Schule und ihrer Massen-Einführung in unserer Gesellschaft.

Ein erster Hinweis war (damals) das Buch von Harvey J. Graff, dass in Vor-Schulpflicht-Zeiten manche industriellen Ländern Alphabetisierungsraten von 100% hatten (durch Home-Schooling). Und diese Raten nie wieder erreicht wurden.
Dann kamen weitere Autoren aus der Ecke der historischen Soziologie dazu - während die aktuelle Pädagogik damals keinen Hinweis auf den Erfolg von irgendwas außerhalb der Schule gab.

Mittlerweile ist es möglich praktisch alle Fragen zu beantworten:
Vorher gab es keine klaren Daten ob es Dyslexie gibt. Ein Phänomen, das Schüler beim Lesenlernen zeigen, gefördert von Leistungsangst, Druck, etc. In der Schule - nicht sehr überraschend - aber außerhalb? Bei Unschoolern? Keine Ahnung.

Was werden Menschen, die nur frei lernen und nur ihren Interessen folgen - in einer Welt, die versucht Deine Interessen auf möglichst kurzfristige Konsumerlebnisse zu lenken, die wie Zucker für den Geist wirken? Ist der Mensche von Grund aus dazu geneigt Sachen lernen zu wollen, effektiv zu interagieren, so wie es die Vertreter der intrinsischen Motivation behaupten? Keine Ahnung. Aber wir kriegen langsam Daten!

Ist die Schule ein Fluch oder ein Segen für arme Länder? Tausende Wohltätigkeitsorganisationen behaupten sie sein ein Segen. Aber irgendeine Forschung mit einer Alternative, eine valide Kontrollgruppe? Gab es nicht.

Wir stehen wirklich am Anfang einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema Bildung. Es gibt kiloweise, nein!, tonnenweise Bücher, die sich alle nur in dem geschlossenen System Schule bewegen und somit nicht das Papier wert sind auf dem sie geschrieben stehen. Ohne Kontrollgruppe ist keine Forschung möglich.

Jetzt haben wir die Kontrollgruppe. Und die Schule findet darin ihren schlimmsten Nemesis. Die Schule muss sich dem Mörder alles Aberglauben stellen. Der Wissenschaft.

Dienstag, 10. Februar 2015

Sozialisation - Regeln

Eine "Frage", die immer wieder kommt ist: "Ich kann mir nicht alles aussuchen. Ich kann ja auch nicht bei Rot über eine Ampel gehen."

Regeln sind dazu da um unsere Gesellschaft und unser miteinander zu ordnen. Soziale Regeln - um die es hier geht - lassen uns erst effektiv miteinander umgehen.

Jedoch werden diese Regeln überall wo Menschen aufeinander treffen ausgehandelt. Sie werden nicht nur durch Strafe und Belehrung weitergegeben, sondern auf vielerlei Weise. Über Medien, Beobachtung von Verhalten und über sog. Mikro-Bestrafungen ("micropunishments) - das sind kleine Hinweise anderer, dass ein Verhalten nicht der Norm entspricht. Z.B. Naserümpfen, Weggehen, etc..

Unter dem Begriff "Norm Breaching" findet man auf youtube unzählige Videos in denen die Reaktion von Unbeteiligten auf Regelbrüche gefilmt werden.
Einfache Regelbrüche sind:
Man geht quer durch eine Gruppe von Leuten, die sich unterhält.
Man fängt an im McDonalds über den Preis der Burger zu verhandeln.
Man legt sich in der Fußgängerzone auf den Boden und fängt an zu singen.
Man leckt seinen Teller im Restaurant leer.
Man applaudiert der Bedienung im Burger King, wenn sie die Pommes bringt, dann bejubelt man sie noch mal sobald der Burger kommt.
Man geht auf einer Party - sobald man ankommt - in die Küche und fängt das Besteck an umzusortieren, ohne ein Wort sagen z.
Man stellt sich in der Toilette genau an das Urinal neben jemanden und versucht zu erraten, was er alles getrunken hat.
An der Ampel ruft man den Leuten auf der anderen Seite zu: "Kommt nur her!" "Ich komm gleich rüber!"

Es ist leicht ersichtlich, wie die Menschen um einen herum reagieren werden. Ich finde es also interessant, dass sich manche Menschen um Regelbrüche Sorgen machen - Normen machen den Teil des Verhaltens aus, der praktisch unausweichlich gelernt wird, so sehr man sich auch dagegen zu wehren versucht. Dass genau der Teil, der in der realen Welt am besten gelernt wird - gerade nicht gelernt werden können soll. Bei Unschoolern, die sich doch "ausschließlich" in der realen Welt bewegen.

Außerdem werden soziale Normen sowieso auf die Situation bezogen gelernt. In der Soziologie wird das die "Bühne" genannt, auf der wir unsere Masken tragen. Ein Beispiel dafür ist, dass wir es als normal empfunden in Unterwäsche rumzulaufen, sobald wir im Schwimmbad sind.

Ich möchte also abschließend noch ein paar soziale Normen nennen, die wir alle als belustigend empfinden würden:
1.) Ich melde mich im Restaurant und rufe dem Kellner zu, dass ich bitte auf die Toilette gehen möchte - ob ich darf.
2.) Ich stelle mich am Bahnhof vor eine Gruppe von Menschen und frage einem nach dem anderen nach Fremdwörtern ab.
3.) Ich läute in der Kirche einen Gong und fordere alle Menschen auf sich für 20 Minuten ins Freie zu begeben.
4.) Ich stelle mich an einen öffentlichen Platz, fange laut an Dinge aus einem Buch vorzulesen. Fordere Leute zum Schweigen auf, die in einem Gespräch sind, frage alle paar Minuten einen Fremden danach, was ich gerade vorgelesen habe - und halte das 45 Minuten durch.
5.) Ich frage in der Arbeit bei einer Besprechung bei jedem Detail, ob er das abfragt, oder ob ich es wissen muss.
6.) Ich frage beim Einstellungsgespräch, mit welcher Art Stift geschrieben werden darf und mit welcher Farbe ich meine Hefte einbinden soll.
7.) Ich verbessere in einer Unterhaltung jeden Ausdrucksfehler des Anderen und frage ihn, was Subjekt und was Objekt seines letzten Satzes war.
8.) Ich entschuldige mich in der Bibliothek, dass ich nicht schon um 9 Uhr früh, als sie geöffnet hat erschienen bin.

Und noch eine kleine Regelsammlung als Lied :)

Montag, 9. Februar 2015

Leseschwäche

Ich hätte nie geglaubt, dass es so etwas wie eine Leseschwäche wirklich gibt. Aber mittler weile belehrt mich Nami gerade vom Gegenteil. Ich konnte früher gar nicht verstehen, warum die Leute da so rummachen, da ich selbst mehrere Alphabete kann (römisch, griechisch, kyrillisch, hiragana, katakana und lerne gerade kanji (das mit den 2000+ Zeichen)).

Wir haben mittlerweile ca. 150.000 Anschläge gelesen und Nami:

  • vertauscht immer noch Buchstaben e/a ---- b/p ---  w/v/r --  k/t/h
  • fügt Buchstaben hinzu: total -> stotal ; Tasche -> STasche
  • liest von innen nach außen: Bussi -> Ussib, Kuss -> Ussk
  • erkennt wiederholende Wörter nicht: Er fürchtet, fürchtet sich -> Er fürchtet, fü....???
  • triviale Wörter werden gar nicht erkannt: in -> ????
  • verirrt sich in Wörtern: herumjagen -> herumgeumherjagumher....
  • Wörter werden mit anderen Wörter mit ähnlicher Silhoutte ausgetauscht: und -> erst
  • Auslassungen: wieder -> wir
  • Einfügungen: einmal -> einstmal
  • Rückwärts lesen: rückwärts -> sträwckür
  • Zeile verlieren und nicht wiederfinden
  • Sehr anstrengend für sie (wir wollten Atlglas wegbringen und sie konnte nicht erkennen, welcher Container für "Grünglas" und welcher für "Weißglas" war)
  • Längen und Kürzen: Sonne -> sone; Tanne -> tane
  • Ähnliche Laute werden verwechselt: Karte -> garte


Zusätzlich hat sie mit einem sehr starken Zwinkern und Blinzeln begonnen. In einer Zeit in der wir kein Training gemacht haben.

Auf meine Liste schreibe ich praktisch jeden Tag etwas Neues.

Letztes Mal hat sie mit dem Training aufgehört. Ich kann es auch im Nachhinein verstehen, Wir haben angefangen mit 6000 Wörtern am Tag und uns dann hochgearbeitet auf 20.000. Was jeden Tag ca. 2 Stunden + in Anspruch genommen hat. Ganz am Anfang sogar noch länger, da sie nur 60 Zeichen in der Minute schnell gelesen hat. Das sind ca. 8 Wörter.

Um kurz einen Einblick in eine durchschnittliche Leseentwicklung zu geben:

Die Grafik zeigt verschiedene Geschwindigkeiten. Die meisten Kinder erreichen - nachdem sie die Buchstaben gelernt haben - zwischen 7 und 8 Jahren innerhalb von ein paar Woche eine Lesegeschwindigkeit, mit der sie Texte gut verstehen können. Also ab 50 Wörter in der Minute (das ist langsam aber einigermaßen flüssig, ca. jede Sekunde kommt ein Wort).

Wie ich in einem früheren Post geschrieben hatte, haben wir dann das Lesetraining abgebrochen und ich habe Mahjongg und solche Spiele geholt, die sie gerne gespielt hat.

Mittlerweile war sie wieder bereit (von sich aus) eine weitere Runde "Powertraining" zu machen - wir wollen auf die 50 Wörter in der Minute.
Sie hat also jeden Tag einen Text (ca. 7-9000 Wörter), 10 Minuten LRS-Leseliste, und dann noch eine Zeile (+so viel sie will) Wörter mit ihren Problembuchstaben schreiben.

Dies haben wir nun eine Woche gemacht und sie hat sich von 160-170 Zeichen pro Minute auf 210-220 Zeichen pro Minute gesteigert. Dennoch mit den oben genannten Fehlern, die zwar besser wurden, aber stetig blieben.

Ich bin nun unsicher, welchen Schritt ich als nächstes tun soll. Nami war weiterhin bereit das Powertraining zu machen - und will es sogar machen (!). Dennoch tut mir es richtig leid mit anzusehen, wie sie sich abmühen muss - für eine Sache, die den Homeschool- und Unschool-Kindern um sie herum einfach so zufliegt. So hat ihre ein Jahr jüngere Freundin an einem Tag 3 One-Piece Mangas durchgelesen und Sanji (der ja diese Woche 6 wird) liest auch schon mit 40 Zeichen pro Minute (aber ohne Anstrengung und mit viel Freude) - und dies nach sporadischem bis gar keinem Üben.
Sie hat im Powertraining diese Woche sogar oft über ihr Soll gearbeitet - zwei Minuten extra in der LRS-Liste und 5 Zeilen extra geschrieben.

Meine Ideen sind:
  1. Wir machen wieder eine Pause und warten ein bisschen, bis sie reift.
  2. Wir machen ein Silbentraining (also sie muss nur Silben finden)
  3. Wir lassen ihre Augen abklären, oder andere physiologische Ursachen (was man wahrscheinlich auf jeden Fall machen sollte)
  4. Oder wir machen das Training wie gehabt jetzt erst mal noch 2 Wochen weiter.
  5. Ich rufe eine professionelle Stelle an, die sich mit diesem Thema Vollzeit beschäftigt.

Auf jeden Fall muss ich mich noch viel tiefer in die Thematik Legasthenie einlesen - von der ich dachte sie sei einfach ein Hirngespinst.

Ich möchte aber noch abschließende Gedanken in diesem Post bringen:
1.) Ich glaube mittlerweile, dass die Betroffenen sehr viel durchmachen müssen - insbesondere in Schulsettings, wo nicht jeder so wohlwollend über die Schwächen von anderen ist. Und ich habe manchmal selbst meinen Kopf auf die Tischplatte fallen lassen, weil ich nicht glauben konnte, dass man ein Wort wie "ein" nicht erkennen kann, nachdem man "herausgehen" problemlos gelesen hat. Oder allein diese langsame Geschwindigkeit nicht ertragen konnte (über Stunden).
2.) Ich bin froh, dass ich so gut darauf eingehen kann - also ich bin mitten drinnen. Wie viele andere Fälle es gibt, in denen dadurch der ganze Bildungslauf gestört und teilweise zerstört wird ist einem nicht bewusst, bevor man gezwungen wird, dieses Thema nicht als Modekrankheit abzutun.
3.) Wenn man das Gefühl bekommt, dass ein Kind sehr "stur" ist, oder sich "weigert" lesen zu lernen, oder "faul" ist und sich drücken will, dann sollte man - bevor man solche Sachen äußert auf jeden Fall sich über dieses Symptom schlau machen. Die meisten Kinder (in freien Umgebungen) lernen sehr schnell zu lesen.
4.) Ein Unschooler über ihre Dyslexie:
 
5.) Ein Film über Dyslexie: 



6.) Ich bin froh, dass wir einen so personalisierten Bildungsansatz gehen. Nami konnte viele Talente entdecken und für sie ist es so, als ob sie etwas bestimmtes nicht so gut kann, aber dafür andere Sachen sehr gut kann. Z.B. ein Musikstück nach Gehör nachspielen, Nähen, Sport, etc. Es konnte nicht an ihr Selbstbewußtsein und nicht an ihre Selbstwahrnehmung. Sie hält sich nicht für dumm, sondern weiß, dass sie Stärken hat und sehr intelligent und geschickt ist. Und vielleicht überwindet sie mit diesem Selbstbewußtsein diese eine Schwäche auch.

Ich bin dankbar, dass die beiden anderen gut lesen - als sehr guter Leser habe ich wirklich Probleme diese "Unfähigkeit" zu verstehen. Chopper hatte am Anfang auch seine Startprobleme, aber mittlerweile liest er ja mit 550 Wörtern pro Minute. Auch Sachtexte gehen schnell und es tritt praktisch keine Ermüdung mehr auf. Sanji bis jetzt sieht das ganze Thema als ein Spiel an und fräst sich ohne jedes extra-Training durch die schwierigsten Wörter hindurch.

Mittwoch, 4. Februar 2015

Soziale Kompetenz - Wann sollte ein Kind die Familie verlassen?

In unserer Gesellschaft kann es ja nicht schnell genug gehen, dass Kinder den Umgang mit anderen Kindern lernen. Den Umgang mit Gleichaltrigen.
Sozialisation heißt der Überbegriff.
Dass man von Gleichaltrigen (also Menschen, die ungefähr so viel können wie man selbst) viel lernt ist erstmal eine witzige Idee.

Sozialisation ist ja 1.) Umgang mit Autoritäten 2.) Freunden.
Hier haben wir ein drittes: Nämlich den Umgang mit Machtgleichen - Peers. Menschen, die sich grob nicht von uns unterscheiden. Die so gut es geht unsere Größe haben, unsere geistige Entwicklung, unseren sozialen Hintergrund, unsere Leistungsfähigkeit, etc.

In der Biologie gibt es ein Phänomen, das man Hackordnung nennt. Es kommt aus der Hühnerzucht: Hühner schlafen gerne so weit oben wie möglich. Ist so. Hab ich auf Wikipedia nachgelesen.

Hängt man nun die Schlafgelegenheiten im Hühnerstall in verschiedener Höhe auf, dann fangen die Hühner an auf sich herumzuhacken, und um die obersten Plätze zu streiten. Die Verlierer müssen unten schlafen.
Deswegen macht man eine Stange in Hühnerställe und es herrscht Frieden.

Ähnlich ist das bei Menschen, sobald sie in Konkurrenz-Situationen kommen (auch künstliche, Anerkennung, Noten, Lob) fangen sie an unter sich eine Hackordnung auszumachen.
Das läuft dann in der Schulwerbung unter: Kinder wollen sich vergleichen.

Soziale Kompetenz wird dabei nicht aufgebaut. Nicht der kooperative, friedliche, win-win Umgang - wie wir ihn eigentlich möchten.

Es besteht also kein Grund die Kinder möglichst früh aus der Familie zu schubsen und ihnen den Umgang mit Gleichaltrigen zu ermöglichen. In der Familie können sie friedlich und in Wertschätzung ihre sozialen Kompetenzen aufbauen.
Sie können die Grundbegriffe lernen. Sie können lernen, wie man kooperativ ist. Was für einen Nutzen es hat, auch die Sicht und die Gefühle des anderen verstehen zu wollen. Was es bedeutet die anderen auszunutzen und ihnen die Energie auszusaugen, bis diese ausflippen.

Innerhalb der Familie vergibt man sich das. Man erklärt sich Sachen. Wo lief es schief? Wo habe ich nicht nach win-win geschaut, sondern bin egoistisch gewesen. Habe nicht gesehen, dass der anderen auch ein Mensch ist mit Gefühlen, die ihm wichtig sind - und die ich getreten habe.

Die Idee, dass man diese Kompetenzen in einer Gruppe lernt in der alle um die Gunst und Aufmerksamkeit eines "Chefs" konkurrieren - und dieser Chef liebt einen nicht so und so bedingungslos (wie das bei Eltern heutzutage normalerweise der Fall ist). Das ist eine sehr kaputte Idee. Eine Idee, die nicht funktionieren kann.

Wir nehmen aber diese kaputte Idee und erheben sie zur Maxime nach der alles sich richten soll.
Ich bin kein Bindungsexperte und mir geht es auch nicht hier um Bindung, sondern mir geht es alleine um die Fähigkeit der Sozialkompetenz.

Werde ich also mit meinen niedrigen Sozialkompetenzen in eine Konkurrenz-Gruppe gestoßen, so ist das als ob ich mit einem unfertigen Schiff den Hafen verlassen soll. Ich werde Schiffbruch erleiden. Konnte ich genug soziale Kompetenz aufbauen, so werde ich erfolgreich die Meere befahren.

Deswegen plädiere ich dafür erst einmal diese Schiffe fertig zu bauen. Sie sich langsam in niedrigen Wassern prüfen zu lassen. Also in kleinen Gelegenheiten, von erst kurzer Dauer mit möglichst verschiedenaltrigen. Kein 2-jähriger wird mit einem 7 jährigen konkurrieren wollen. Und ein 7-jähriger wird sich auch ziemlich schnell blöd vorkommen, wenn er es versucht. Genauso wird ein 6-jähriger nicht mit einem 10-jährigen konkurrieren wollen.

In Gruppen in denen verschiedene Fähigkeiten zählen. In der einer der Navigator ist (ich bleibe beim Schiffs-Beispiel), einer der Koch, einer der Schiffsarzt, etc. Wo diese Fähigkeiten sich ergänzen können und Sinn haben. Nicht genau das Gegenteil: sinnlose Fähigkeiten alle gleich lernen müssen und dann darin konkurrieren.

Wir sollten die Kinder in dem Moment hinaus lassen, wo ihr Schiff fertig ist. Und sie nicht zwingen (oder motivieren/strafen) Segel zu setzen. Wir sollten ihnen helfen das Schiff zu bauen. Dadurch, dass wir an unserem eigenen Schiff weiterbauen und ihnen erklären, warum wir denken, dass dies oder jenes so gut ist und anderes diesen oder jenen anderen Effekt hätte. Ein Segel, das wir unter Deck anbringen ist einfach nicht so zuträglich als eines, das wir an einem Mast befestigen.

Wir sollten mit Ihnen Orte erkunden an denen wir Gelegenheit bekommen unsere Konstruktion zu prüfen und zu sehen, ob die Sozialkompetenzen (Konstruktionen) schon Sinn machen.

Und dann, wenn alles schon fertig ist und wir daran gehen in die Reling (Außengelände) Löcher zu bohren, damit das Wasser abfließen kann, wenn es regnet oder stürmt... erst bei diesem Feinschliff sollten wir die extremste aller Situationen ausprobieren wagen: Die Konkurrenz unter Peers unter längerer Zeit - wenn wir es denn für nötig halten.

Ich habe das gesehen, als der Älteste (jetzt 10) dieses Jahr in München mit anderen Kindern Freundschaften geschlossen hat. Er hatte überhaupt keine Konkurrenz in sich, er wollte niemanden in die Pfanne hauen, er wollte nicht besser sein, er wollte kein Lob, er wollte kein Chef sein, er wollte sich nicht in Nichts hervorheben. Er wollte einfach nur mit ihnen spielen und Abenteuer erleben. Zusammen den Berg herunterrutschen. Und die Freunde kamen so ohne Anstrengung und sie spielten so lange Stunden, als ob sie schon immer da gewesen wären.
Und das einzige was mir zu tun blieb war: Am Ufer zu stehen und mit meinem Taschentuch dem Schiff das in vollem Wind auf's Meer hinausfuhr zu winken. Mit Tränen der Freude in den Augen. Nicht mit Tränen des Abschieds. Den ich wußte: dieses Schiff war stark genug um auch wieder in den Hafen zurückzufinden und nicht zu verneinen, dass es so etwas wie einen Hafen überhaupt nötig habe.

Dienstag, 3. Februar 2015

Eigene Projekte - Planung, Kosten, Zeit

Nachdem Chopper nun ein paar Bücher über Physik durchgelesen hat; wir eine Menge Experimente gemacht haben und er alles wieder vergessen hat :) (nicht alles, aber manchmal habe ich das Gefühl, dass er nur so darüber hinweg liest) - fangen wir nun endlich an, dass er selber Projekte macht.

Ich gebe ihm also eine Aufgabe und er darf alle Ressourcen, die er will/findet benutzen. Er meinte, er nimmt nur Youtube.

Aktuelle Aufgabe: Elektromotor bauen.
Er muss alles selber machen:
+ Anleitung finden, verstehen
+ Budget planen (10 € ) (das bedeutet auch Alternativen finden, z.B. bekommt man Kupferdraht nur in großen Rollen, oder Büroklammern nur in Packungen (man braucht in seiner aktuellen Anleitung 2 davon))
+ Einkaufen
+ Bauen
+ Zeitrahmen einhalten (5 Tage)

Dies sind alles enorm wichtige Fähigkeiten, die er überall in der echten Welt braucht.
Ich bin schon gespannt, was daraus wird. Ich halte mich so weit es geht heraus.