Donnerstag, 20. November 2014

John Taylor Gatto

Hier ist ein Interview mit John Taylor Gatto (einer der Galleonsfiguren im Unschooling-Bereich), das ich im folgenden zusammenfasse

John Taylor Gatto war über mehrere Jahre hinweg Lehrer des Jahres in New York City und auch  1991 auch in New York State - danach hat er sich von Schule verabschiedet und tritt nun für Homeschooling insbesondere für Unschooling ein.

Sein Englisch (heftig amerikanisch) ist ziemlich schwer zu verstehen und das Interview sehr lang.
Am Anfang werden seine Hauptthesen zusammengefasst (wie auch in Wikipedia zu finden):
  • Sie macht die Kinder konfus. Sie präsentiert ein zusammenhangloses Ensemble von Informationen, die das Kind memorieren muss, um nicht von der Schule zu fliegen. Abgesehen von den Tests und Prüfungen funktioniert diese Programmierung ähnlich wie das Fernsehen, das fast die ganze ‚freie’ Zeit der Kinder ausfüllt. Man sieht und hört irgendetwas, um es gleich wieder zu vergessen.
  • Sie lehrt sie ihre Klassenzugehörigkeit zu akzeptieren.
  • Sie macht sie gleichgültig.
  • Sie macht sie emotional abhängig.
  • Sie bringt ihnen eine Art von Selbstvertrauen bei, die auf ständige Bestätigung durch Experten angewiesen ist (provisional self-esteem).
  • Sie macht ihnen deutlich, dass sie sich nicht verstecken können, weil sie immer überwacht werden.[6]
Dann kommt ein Abschnitt darüber, warum das Schulsystem so ein degeneratives Ergebnis erzeugt. Er sagt, dass es der Zusammenhang zwischen der Funktionsweise der Wirtschaft und der Struktur des Schulsystems ist.
Also die Managementmethoden versagen desto mehr, je autonomer (eigenständiger) die Menschen handeln. Da die Managementmethoden der Wirtschaft "State of the Art" (und auch der Zustand der Zivilisation) sind - werden diese Managementmethoden natürlich auch in die Schule propagiert.

Ich will hier zusätzlich erläutern:
-Oft wird gesagt, dass die Schule uns mit Absicht zu kleinen Ameisen erzieht, die nicht selber denken können/sollen. Dass es von Staat und "den Kapitalisten" so gestaltet wäre, damit wir gute Bürger und gute Arbeiter werden.
Dieses sagt John nicht. Seine Aussage deckt sich dagegen mit der Beobachtung, dass durch Änderung in den Managementmethoden sich auch die Methoden in der Schule ändern.
Einige Beispiele:
-Wochenpläne und Kompetenzraster (ahmt Management by Objectives (MbO) also Management durch Zielvereinbarungen nach)
-ein morgendlicher Stuhlkreis (ahmt morgendliche Besprechungen nach)
etc.

Als nächstes erklärt John, dass er seinen Kindern immer klar gemacht hat, dass sie ihn jederzeit nach dem Sinn des Lernstoffs fragen können (aber höflich, da er ja auch ein Mensch ist) - und wenn er keine gute Antwort liefert, können sie "opt-out" (wörtl: sich heraus wählen) machen.

Und er hat seinen Schülern immer erlaubt nicht zum Unterricht zu kommen (mit Einverständnis der Eltern), wenn sie etwas "Besseres" vor hatten.

Er erzählt - und das ist ein ziemlich wichtiger Bestandteil - von seinen Gesprächen mit 2 Direktoren von renommierten Colleges - und worauf sie Wert legen. Es sind - überraschenderweise - die Hobbies. Wie die Bewerber ihre Freizeit verbringen erlaubt den besten Blick in ihre Seele und wie sie ticken.
Der optimale Kandidat hat 3 Herzen:

  • Körperliches Hobby: Kein Teamsport, da weiß man nicht, welche Position und man kann sich zu sehr hinter anderen verstecken. Ideal ist: Ein Einzelsport mit einem leichten körperlichen Risikofaktor.
  • Intellektuelles Hobby
  • Soziales Hobby
Stunde 2-3

Betrifft nur Schule.  Es geht über die Familie von Darwin und Thomas Maltus. Die Grundaussage ist, dass Eltern versuchen ihre Kinder vor Kindern aus niederen Kreisen schützen wollen. Zusätzlich kommt noch Adam smith, der sagt.. der unterschied zwischen dem kind des Herzogs und des strassenfegers ist ihre frühe Erziehung ... damit war smith einer der ersten. Davor hatten die unterschichten das Gefühl vom goodwill und der Gnade drr oberschichten abzuhängen.  (Wichtige Namen sind hier: spinoza, plato, malthus, darwin, vorbestimmung kalvin)
2. Er erzählt wie er mit den Kindern aus der Unterschicht (Harlem) den gleichen harten Stoff gemacht hat, wie mit denen aus der Oberschicht. Er hat Jack London (Call of the Wild) für eine 8. Klasse fallen gelassen und anstatt dessen Moby Dick durchgenommen, eines der schwersten Bücher über Schicksal, etc. 
Kinder, die Besseres mit ihrer Zeit vor hatten hat er gecoached und aus der Schule geschickt um ihr Ziel umzusetzen.  Einer Schwimmerin, die im Unterricht nur schlief, hat er gesagt: Dass sie in der schule nicht schwimmen könne, weil es nicht mal ein Schwimmbecken gäbe. Sie solle rausgehen und die 160 Bäder von New York City besuchen und eine Karte mit Berichten anfertigen.

3. "Gehirn ist ein Muskel-Theorie" gilt für ihn.  Die einfachste Weise ein Kind zu einem Genie zu machen ist es ab dem 7. Lebensjahr einer massiven Fülle an Informationen auszusetzen ("frontload it with information").

Stunde 3-4
Hier geht es um die Erfinder Benjamin Franklin und Edison - respektive ihre Jugend. Beide verlassen die Schule um ihre Energie sinnvoll einzusetzen und machen echte Erlebnisse in der Welt (und auch Geschäfte).
Während andere Kinder im Alter von 12 Jahren Angst haben, dass eine 3 im Zeugnis ihnen ihr Leben versauen kann.

Auch bespricht er wieder Thomas Maltus und Niccholo Macchiavelli und findet, dass die Kinder wenigstens alle diese Höhepunkte (in denen manchmal Schule zum Nachteil der Bevölkerung eingesetzt wird - oder einfach eher zum Vorteil des Regenten) der Zivilisation kennen sollten, damit sie wenigstens eine Wahl haben und wissen was los ist. Anstatt dass sie blind den Lehrern hinterherlaufen, die wiederum unwissend das weitergeben, was ihnen anbefohlen wird.

Das führt ihn zum Thema der Tests. Er gibt an, dass es keinen Nutzen hat zu testen, außer Kinder in konstanter Abhängigkeit und Angst zu halten.



=> Das Ergebnis für produktives Unschooling ist:

  • die Klassiker auf jeden Fall auch anzubieten (wie schon auch oben bei Moby Dick, etc.)
  • Biografien und Autobiografien um junge Menschen zu inspirieren
  • keine Bewertungs-Tests (aber das ist offensichtlich) - höchstens zur Selbstdiagnostik
Er beschreibt die Zusammenhänge zwischen Adoption und Schule und ein finsteres Kapitel über Boxcar-Children (Kinder, die verschleppt wurden und dann verkauft um die Eltern im Arbeitsmarkt zu haben). Das letzte habe ich nicht selbst recherchiert - ich finde nur den berühmten Roman "The boxcar children" - aber sonst nichts.
Bei dem anderen kann ich mir denken, dass einfach der Fokus der Regierung zu einem bestimmten Zeitpunkt auf die Aufbewahrung der Kinder ging und die aktuell zuständigen im Familienministerium sich dann darum gekümmert haben. Auf eine zugegeben sehr sozialistische Art und Weise (nämlich mit Freiheitseinschränkungen für die Betroffenen, anstatt sie zu unterstützen mehr Freiheit zu gewinnen), aber das war "gut gemeint".

Eine weitere Beobachtung ist die Erweiterung der Kindheit dadurch, dass die Schule kindische Ängst nährt und davon profitiert. Angst vor Noten - was im Grunde die Angst ist, von einer Bezugsperson keine Liebe und Zuneigung zu bekommen. Und diese Ängste dehnen die Kindheit weit in das Erwachsenenalter, was natürlich eine Beschneidung der Persönlichkeitsrechte gleichkommt.

Auch der künstliche, unnütze Wettbewerb der nur darauf abzielt das Lernen zu verbessern - richtet nur Zerstörung an. Man wird neidisch auf "bessere" und konzentriert sich nicht auf das Lernen selber und was man selber daraus ziehen kann, sondern auf den Wettbewerb. Dieses fördert auch wieder niederes unproduktives Verhalten.

Stunde 4-5:
Zusätzlich beschreibt er, seine Analyse der wirklichen Elite-Elite-Boarding-Schools und welche Skills sie lehren (und mit welchen man dann eben vom Gonzo zum Herzogssohn wird):

 1. Eine Theorie über die menschliche Natur (verkörpert in Geschichte, Philosophie, Theologie, Literatur and Gesetz - ich füge noch Soziologie hinzu).
2. Skill in der *aktiven* Literatur (Schreiben, öffentliches Sprechen). Einfaches Lesen dagegen ist nur für Untergebene wichtig, damit sie ihre Befehle schriftliche entgegennehmen können (ich möchte hinzufügen, dass sie auch einfache Gesetzesänderungen und Änderungen in Steuerverpflichtungen lesen können) - und ist deswegen nur wertvoll für die Befehlshaber.
3. Einsicht in die großen Institutionen  (Gerichte, Körperschaften (wie Aktiengesellschaften), Militär, Erziehung).
4. Wiederholte Übung von guten Mannieren und Höflichkeit; basierend auf der Wahrheit, dass Höflichkeit und Umgangsformen die Grundlagen für alle zukünftigen Beziehungen sind, alle zukünftigen Allianzen, und Eintritt zu den Plätzen zu denen Du vielleicht gehen willst.
5. Unabhängiges Arbeiten.
6. Energetischer körperlicher Sport ist kein Luxus, oder ein Weg "Dampf abzulassen" aber sie sind absolutely the only way to confer grace on the human presence, and that that grace translates into power and money later on. Also, sports teach you practice in handling pain, and in dealing with emergencies.
7. A complete theory of access to any place and any person.
8. Responsibility as an utterly essential part of the curriculum; always to grab responsibility when it is offered and always to deliver more than is asked for.
9. Arrival at a personal code of standards (in production, behavior and morality).
10. To have a familiarity with, and to be at ease with, the fine arts. (cultural capital)
11. The power of accurate observation and recording. For example, sharpen the perception by being able to draw accurately.
12. The ability to deal with challenges of all sorts.
13. A habit of caution in reasoning to conclusions.
14. The constant development and testing of prior judgements: you make judgements, you discriminate value, and then you follow up and “keep an eye” on your predictions to see how far skewed, or how consistent, your predictions were.

Lernen ist am besten möglich, wenn man sich "at ease" (leicht und unbeschwert) fühlt - denn nur dann kann man richtig verstehen.
Durch ändern des Habitus konnten seine Schüler (ca. 13 Jahre alt) in Universitäten und Gerichtsräume, etc. ohne Probleme eintreten und teilnehmen. (siehe auch Nr. 3).

Seine nächste Ausschweifung ist etwas heftig und außergewöhnlich: Es geht darum, dass schon in der Antike die Kaiser und Herrscher gerne Flöhe abrichteten (man kennt vielleicht noch den Flohzirkus von Jahrmärkten).
Um Flöhe abzurichten wird ein flaches Gefäß genommen und die Flöhe hineingesetzt, dann ein Deckel darauf. Sie hüpfen und stoßen sich den Kopf so lange an, bis sie aufgeben und gezähmt sind. Sobald ihr "Wille" gebrochen ist drängen sie sich alle auf einem Haufen zusammen und sind leicht zu kontrollieren.

John Taylor Gatto sagt: "In diesem Moment habe ich erkannt, dass ich als Deckel angestellt war" (sein Beruf als Lehrer).
Er will keine böse Absicht unterstellen (oder nur marginal), sondern stellt das Problem vor, dass es keine Möglichkeit gibt "eine Gesellschaft zu managen, die keine Manager braucht".
Dasselbe ist mit Produktion und Kapitalismus: Wenn jeder fähig wäre, selber Sachen zu erfinden, herzustellen und Erfindungen dauernd zu verbessern (oder auf seine Notwendigkeit zuzuschneiden) würde das Kapital zusammenbrechen.
Ähnliches mit Demokratie - wenn alle die Demokratie sehr ernst nehmen zerschlägt sich die Macht.

Curiosity - Neugier - lever for innovation
Methods to destroy:
1.) Stillsitzen + Antwort ausspucken auf Aufruf
2.) Fehlerhafte Quellen (Schulbücher)
3.) Bedrohung durch Tests

American Dream - Write your own script, Have an independent livelyhood

Invention by outsiders - training actually to *narrow*. And not by goal or mastery, but by examining details.

Habit hält uns alle in unseren sozialen Strata. Den Minenarbeiter in seiner Dunkelheit, sie sorgt dafür, dass die schlimmsten Jobs nicht verlassen werden, etc.

Alexander James Inglis Lecture - 6 Zwecke des Beschulens - und auch Principles of Secondary Education:
1.) Adjustive Function - fixed habits of reaction to authority
2.) Integrating Function (conformity function) - make as alike as possible (react generally the same way)
3.) Directive Function - diagnose proper social role and allocate in the social pyramid, so that they can't evade
4.) Differentiating function - teach just as far for the layer in the pyramid
5.) Selective function - Assess breeding quality - tag the unfit with their inferiority, by poor grades and humiliation - so that peers will accept this ranking
6.) Propedeutic function - small fractions of kids will take over the functions in the system (Heranbilden neuer Nachwuchs-Funktionäre)

Man wird gemessen an seiner Performance nicht an seinen Zertifikaten

Das System (Schule) wie es jetzt ist dient denen, die es erschaffen haben, nicht denen, die darin sind.

Somit unterscheiden sich diese Elite-Elite-Private-Boarding-Schools in ihrem Curriculum erheblich von denen der öffentlichen und privaten Schulen.

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